Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl 2021 von Frauen für Freiheit e.V. und den Migrantinnen für Säkularität und Selbstbestimmung
An Bündnis 90/Die Grünen, CDU/CSU, Die Linke, FDP, SPD
Wir haben nur die großen, demokratischen Parteien befragt, was aus unserer Sicht die AfD ausschließt.
Die Rechte von Mädchen und Frauen werden rund um den Globus in unterschiedlichem Ausmaß beschnitten – auch hier in Deutschland. Gewalt gegen Mädchen und Frauen hat unterschiedliche Ursachen – sie kann religiös, kulturell, strukturell, ökonomisch usw. bedingt sein. Gewalt gegen Frauen wird täglich sowohl im öffentlichen wie im privaten Raum verübt. Wir, Frauen für Freiheit e.V. und die Migrantinnen für Säkularität und Selbstbestimmung, setzen uns dafür ein, dass die unterschiedlichen geschlechtsspezifischen Gewaltformen genau benannt und analysiert werden, damit sie auf allen gesellschaftlichen und politischen Ebenen mit geeigneter Aufklärungsarbeit, präventiven gesetzlichen Maßnahmen und dezidierter Politik bekämpft werden.
Im Hinblick auf die kommende Bundestagswahl am 26.09.2021 haben wir den im Bundestag vertretenen demokratischen Parteien unsere Wahlprüfsteine vorgelegt. Wie stehen die angefragten Parteien zu universalen Frauenrechten? Werden sie sich in der neuen Legislaturperiode für eine Verbesserung der geschlechtsspezifischen Gewaltprävention einsetzen? Wie stehen sie zu der Trennung von Staat und Religion als unerlässlicher Grundlage für die Förderung von Gleichberechtigung wie auch für die Integration von Migrantinnen?
Wir sprechen uns weder für noch gegen eine Partei aus. Dennoch geben die Antworten der angefragten Parteien, über ihr Wahlprogramm hinaus, Aufschluss über ihre feministischen und säkularen Positionen.
Hier ein kurzer Überblick:
Bündnis90/Die Grünen, DIE LINKE und die SPD wollen sich für den Ausbau von Schutzeinrichtungen und Beratungsstellen für Frauen stark machen. Während DIE LINKE und die SPD es nicht ausschließen, die geschlechtsspezifischen Gewaltformen in gesonderten Kategorien zu differenzieren (Incels/Islamisten), tradiert/religiös (bspw. sog. Ehrenmorde), Partner- und öffentl. Raum), bevorzugt Bündnis90/Die Grünen allgemeine Oberbergriffe wie etwa „Frauenhass“ und „Tötung von Frauen“, die die Partei als Folge struktureller Probleme wahrnimmt.
Das archaische Konzept des Jungfernkultes lehnen DIE LINKE, Bündnis90/Die Grünen und die CDU/CSU ab. Allerdings befürworten weder DIE LINKE noch die Grünen ein Verbot der Hymenrekonstruktion, denn darüber müsse „jede Frau nach ärztlicher Beratung selbst entscheiden können“, so die selbsternannte feministische grüne Partei. Auch lehnen die beiden Parteien ein Verbot der Vollverschleierung – ein Instrument zur Unsichtbarmachung der Frau – ab. Erstere, weil sie das Selbstbestimmungsrecht der Musliminnen nicht einschränken wollen, zweitere, weil sie der Ansicht sind, dass „Frauen, die unfreiwillig eine Burka oder einen Niqab tragen, (…) pauschale Verbote nicht weiter“ helfen. Beide Parteien wollen Kinderrechte im Grundgesetz verankern, sprechen sich allerdings kategorisch gegen ein Verbot des Kinderkopftuchs aus, obwohl dieses eine Gewaltform gegen muslimisch geprägte Mädchen darstellt. Die CDU/CSU hingegen schließt ein Verbot des Kinderkopftuch als „letztmögliche Maßnahme“ nicht aus.
In Bezug auf das Beenden der Zusammenarbeit mit und der Finanzierung von fragwürdigen religiösen Verbänden weichen die Antwort der SPD, der LINKE, der Grünen und der CDU/CSU voneinander ab. DIE LINKE stellt sich gegen die Förderung anti-demokratischer Vereine, äußert sich allerdings ausschließlich zu DITIB. Die SPD und die CDU/CSU begrüßen das soziale Engagement der Kirchen und der anderen Religionsgemeinschaften, auch im Integrationsbereich. Bündnis90/Die Grünen „befürworten Staatsverträge mit islamischen Religionsgemeinschaften“ und zeigen sich solidarisch „mit Kritiker*innen von fundamentalistisch-politischen Kräften“, allerdings ausschließlich „wenn sie massiv bedroht werden.“ In diesem Zusammenhang stehen DIE LINKE und Bündnis90/Die Grünen zwar zur Neutralität des Staates, lehnen allerdings die Einführung eines Neutralitätsgesetzes auf Bundesebene nach dem Berliner Modell ab. Nicht überraschend ist, dass die CDU/CSU dafür eintritt, dass religiöse Symbole, „wie das Kreuz, im öffentlichen Raum sichtbar sind und sichtbar bleiben“ und sich mit dem im Juni 2021 beschlossenen Gesetz zur Regelung des Erscheinungsbildes von BeamtInnen zufrieden gibt.
Die Antworten der Parteien zu den Wahlprüfsteinen 2021 können Sie bei der Initiative Migrantinnen für Säkularität und Selbstbestimmung aufrufen.