Fassade statt Frauenrechte – über den Frauenmarsch der AfD

Montag 12. Februar 18 00:59

An dieser Stelle wurde bereits der women`s march in Washington kritisiert und dessen die Scharia befürwortende Organisatorin Linda Sarsour. Nun werden wir gefragt, ob wir den „Frauenmarsch zum Kanzleramt“ am 17. Februar in Berlin unterstützen. Nein.

Die Organisatorin Leyla Bilge ruft auf, für das Recht auf Freiheit und Selbstbestimmung zu kämpfen. Und das ist leider der einzige Teil des Aufrufs, der klar zu unterstützen ist. Auf der Facebook-Seite des Frauenmarsches zum Kanzleramt wird die AfD mit keinem Wort erwähnt, ebenso wenig wie die eingeladenen Redner. Wer durch den im AfD-Slang verfassten Aufruf nicht ausreichend gewarnt ist, wird durch einen Blick auf Bilges eigenes Facebook-Profil schnell schlauer. Denn die dort erwähnten Redner für die Demonstration am 17. Februar sind zwei AfD-Abgeordnete und eine Pegida/HoGeSa-Frontfrau. Die beiden eingeladenen AfD-Abgeordneten Christina Baum und Alexander Tassis sind zudem dem äußerst rechten Flügel der AfD zuzuordnen, beide sympathisieren und unterstützen die Identitäre Bewegung (IB). Auch die Pegida-Organisatorin und HoGeSa-Rednerin Heidi Mund ist für gelinde gesagt skurrile Ansichten bekannt. So möchte die fundamentalistische Christin „den Thron Gottes“ in Frankfurt errichten. Da mutet es schon lustig an, wenn Bilge in dem Aufruf zum Marsch eine schleichende Einführung der Scharia befürchtet, dafür aber eine Rednerin einlädt, die die Demokratie durch einen christlichen Gottesstaat ersetzen möchte.

Die Einladungen an solche Redner sollte niemand überraschen, der Bilges Namen in eine Suchmaschine eingeben kann. Denn Leyla Bilge tritt nicht nur gerne im Kleid in Deutschlandfarben auf, sie moderiert auch die Konferenz des Ahmadindschad-Freundes Jürgen Elsässer. Elsässer gratulierte Ahmadinedschad zur Wahl und ließ sich von seinem Freund auch zu dessen Konferenzen einladen. Nun ist der ehemalige iranische Regierungschef nicht nur ein glühender Antisemit, er stand auch einem der frauenverachtendsten Regime der Welt vor. Bilge führt mit ihrem Engagement bei Elsässers Konferenz ihren vermeintlichen Einsatz für Frauenrechte ab adsurdum. Ebenfalls an der Konferenz teil nahm Martin Sellner, die Gallionsfigur der Identitären Bewegung. Die IB ist dafür bekannt, Aktionen zu starten, ohne sich als deren Urheber zu bekennen. Ähnlich wie Leyla Bilges AfD-Marsch von ihr nicht als solcher benannt wird, startete die IB vor kurzem eine Kampagne, die sich 120 Dezibel nannte und gleichfalls vorgeblich für Frauenrechte eintrat. Dass Bilges Moderation kein einmaliger Ausrutscher war, zeigt ihr bereitwilliges Teilen der Links von Compact und der IB-Kampagne, immer mit Hinweis auf ihren eigenen Frauenmarsch. Damit nicht genug, bezeichnete Bilge auf der Konferenz Björn Höcke als „Stimme Deutschlands“. Anscheinend umgibt sich Bilge gerne mit völkisch eingestellten Gallionsfiguren, vorzugsweise mit antisemitischem Einschlag. Bilge ist damit ebenso wenig eine Stimme für Frauen wie Höcke eine Stimme Deutschlands.

Jenseits der Legitimierung von christlichen Fundamentalisten und anderen fragwürdigen Gestalten gibt es jedoch weitere Gründe, sich von solchen Aufrufen fernzuhalten. Zum einen vermischen die Organisatoren genau wie die von ihnen so gerne kritisierte linke Szene sämtliche Vorfälle, die mit Gewalt gegen Frauen zu tun haben. Während die einen den Anstieg der Vergewaltigungen für astronomisch hoch und allein durch Flüchtlinge verursacht halten, bestreiten die anderen, dass es überhaupt eine Veränderung gibt und behaupten, sexualisierte Gewalt habe es schon immer gegeben. Sexualisierte Gewalt ist eine Wortschöpfung, die die verschiedenen Kategorien sexueller Gewalt gekonnt verschleiert. Meist wird unter sexueller Gewalt Vergewaltigung verstanden und tatsächlich hat die Zahl der Vergewaltigungen zugenommen, wie nicht nur der Bayrische Innenminister mittlerweile bestätigt hat. Jedoch wird sowohl in der Negierung wie in der Übertreibung vergessen, dass nicht einfach die Zahl der Vergewaltigungen gestiegen ist, sondern eine spezifische Art von Vergewaltigungen, die eher untypisch ist. Margarete Stokowksi, eine Vertreterin der Negierungsfraktion, hat recht, wenn sie darauf hinweist, die meisten Übergriffe passierten nach wie vor im häuslichen Rahmen. Darum ist es umso bemerkenswerter, dass die Zahl der Taten durch den Opfern unbekannte Täter steigt. Allein dies sollte ein Grund sein, das Phänomen zu untersuchen, und auch kulturelle und religiöse Hintergründe der Täter mit in die Analyse einzubeziehen. Die Opfer sind dabei anders als von den Verschwörungsfrauenmärschlern suggeriert nicht „weiße“ Frauen, sondern auch Frauen und Mädchen in Flüchtlingsheimen.

Dennoch ist es kein Phänomen, für das einfach Flüchtlinge verantwortlich gemacht werden können. Jedoch wird durch die Weigerung, spezifische Merkmale wie Nationalität oder Religion zu erfassen, eine Untersuchung der Ursachen unmöglich gemacht, und gerade hierdurch geraten Flüchtlinge wie andere Zugewanderte unter Generalverdacht.

Zudem gibt es weitere Phänomene sexueller Gewalt, die von den „üblichen“ Mustern abweichen. Neu sind Gruppenübergriffe auf Frauen im öffentlichen Raum, nicht nur während der Silvesternacht in ganz Deutschland, sondern auch auf Musikveranstaltungen oder Straßenfesten. Von solchen Gruppenübergriffen wurden vor 2015 nicht berichtet, da es sie in Deutschland schlicht nicht gab. Trotz der massiven Übergriffe der letzten Jahre gibt es nach wie vor keine bundesweite Untersuchungskommission. Wie verabreden sich die Täter, wie kommunizieren sie, welchen sozialen Hintergrund haben die wohl mehrheitlich aus islamisch geprägten Ländern stammenden Täter? Das Phänomen muss untersucht werden, um effektive Prävention betreiben und Frauen im öffentlichen Raum wieder Sicherheit gewährleisten zu können.

Eine andere Form sexueller Gewalt sind Gruppenvergewaltigungen. Auch hier ist es Unsinn, pauschal Flüchtlinge verantwortlich zu machen. Gruppenvergewaltigungen werden augenscheinlich oft von Tätern begangen, deren Familien die Vergewaltigungen nicht als verwerflich betrachten, sondern jubeln, wenn ihr Söhne milde Strafen erhalten. Sowohl die Täter als auch die Familienmitglieder sind in Deutschland geboren oder leben schon lange in diesem Land.

Bei all diesen Phänomen sexueller Gewalt steht ein Elefant im Raum, der eben nicht die von den Bilges dieser Welt gern herbeizitierte Islamisierung oder „schleichende Einführung der Scharia“ ist, aber auch nicht von den Stokowskis dieser Welt wegerklärt werden kann: Der politische Islam. Denn sowohl bei den Gruppenübergriffen im öffentlichen Raum auf Frauen, bei den Gruppenvergewaltigungen und bei der gestiegenen Zahlen der Vergewaltigungen durch den Opfern Unbekannte stammen viele Täter offenkundig aus einer islamisch geprägten Kultur, egal ob hier geboren oder eingewandert. Der politische Islam regelt im Unterschied zum privaten Glauben das gesamte öffentliche Leben, einschließlich der Verhaltensweisen, die einem Mann gegenüber einer Frau zustehen. Es ist dringend an der Zeit, den Einfluss des politischen Islams auf die Gewalt gegen Frauen zu untersuchen. Und eben gegebenenfalls auch festzustellen, welche anderen Ursachen für den Anstieg der Vergewaltigungen, der Gruppenübergriffe und anderer Formen sexueller Gewalt verantwortlich sein könnten. Denn es geht eben nicht darum, Menschengruppen zu verteufeln, schon gar nicht die Mehrheit der gesetzestreuen Muslime, sondern die Ursache der Taten zu identifizieren, um zukünftige Taten zu verhindern.

Und damit sind wir bei einem letzten, von Leyla Bilge nicht mal erwähnten Problem: Dem Anstieg der Ehrverbrechen gegen Frauen. Der Mord an Hatun Sürücu hat sich kürzlich zum 13. Mal gejährt. Nun soll in Berlin eine Brücke nach Hatun benannt werden, die von ihrem Bruder umgebracht wurde, weil sie zu westlich gelebt habe. Statt Symbolpolitik zu betreiben, müssten sogenannte Ehremorde endlich als das benannt werden, was sie sind. Terror gegen das Grundgesetz, Terror gegen das Recht der Frauen auf Gleichberechtigung, Terror, der Frauen aus islamisch geprägten Gemeinschaften davon abhalten soll, ihre Rechte in Deutschland in Anspruch zu nehmen. Wie eine umfassende Studie von Phyllis Chesler zeigte, ist „zu westliches Verhalten“ der häufigste angegebene Grund für die Ermordung der Frauen durch ihre Familien. Der „Ehren“-Mord ist kein Beziehungsdelikt, sondern eine politische Tat. Stattdessen wird in Berlin wieder die Abschaffung des Neutralitätsgesetzes diskutiert. Dessen Abschaffung würde den Vertretern des politischen Islam erlauben, Mädchen und Frauen aus islamisch geprägten Kulturen weiter unter Druck zu setzen, sich ihren Moralvorstellungen zu beugen. Nicht einmal in der Schule würden die Mädchen davor geschützt, sich den fundamentalistischen Moralvorstellungen einer Lehrerin und ihrer Herkunftsgruppe beugen zu müssen. Zwischen dem sozialen Druck, sich diesen Vorstellungen zu beugen, und dem drohenden Tod wegen „zu westlichen“ Verhaltens besteht ein direkter Zusammenhang. Für Frauen und Mädchen aus Einwandererfamilien scheint es in Deutschland keine Lobby zu geben, die ihre Rechte einfordert. Doch gerade auch diese Mädchen haben ein Recht auf Selbstbestimmung und Freiheit. Wer also gegen den Anstieg sexueller Gewalt in verschiedenen Formen protestieren möchte, sollte nicht gegen Menschen marschieren, sondern eine Untersuchung dieser Phänomene fordern und sich mit den Frauen im Iran und in Saudi Arabien und auch in Europa solidarisieren, die sich gegen totalitär-islamische Ideologien wehren.

Wer allerdings mit Jürgen Elsässer eine Bühne teilt, dessen Freund Ahmadinedschad Regierungschef des frauenverachtenden iranischen Regimes war, in dem gerade wieder tausende Frauen unter höchster Gefahr gegen die Kopftuchpflicht kämpfen, der tritt nicht für Frauenrechte ein, sondern benutzt Frauenrechte als Vorwand für seine eigenen politischen Zwecke. Denn das Sammelbecken Bilges aus Verschwörungstheoretikern, Antisemiten und Diktatorenfreunden ist so weit entfernt von einer demokratischen Partei wie die von Bilge inbrünstig verunglimpften Altparteien von einer vernünftigen Flüchtlingspolitik.

 Wir stehen für Frauenrechte statt Fassade und fordern daher:

 

  • eine Untersuchungskommission, die bundesweit die Gruppenübergriffe auf Frauen im öffentlichen Raum analysiert.

  • die Einstufung sogenannter Ehrenmorde als politisch motivierte Kriminalität.

  • die Untersuchung kultureller und religiöser Faktoren bei Tätern, die ihnen fremde Frauen überfallen (ja, selbstverständlich auch bei deutschen Tätern!).

  • bei Gerichtsverhandlungen von Gruppenvergewaltigungen, bei denen Familie und Freunde nicht die Unschuld des Täters verteidigen, sondern die in ihren Augen Rechtmäßigkeit einer Vergewaltigung: Ebenfalls Untersuchungen, ob Familie und Freunde für die Taten durch aktive Unterstützung und/oder Aufruf zu solchen Taten an den Taten beteiligt gewesen sein könnten.

  • dass sich das Auswärtige Amt für Frauen einsetzt, die im Iran verhaftet wurden, da sie sich der Kopftuchpflicht widersetzten.
  • dass das Auswärtige Amt auf der Freilassung Dina Alis und aller anderen Frauen besteht, die gegenwärtig in Saudi Arabien gegen ihren Willen festgehalten werden.
  • den Erhalt des Neutralitätsgesetzes in Berlin.

Und selbstverständlich nehmen wir an einem Marsch zum Kanzleramt nicht teil, bei dem Frauenrechte nur als Fassade dienen.