Warum sind Ehrenmorde keine Beziehungstaten?
Der 25. November ist der jährliche Gedenktag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen.
Wir nehmen dies zum Anlass, erneut auf das Ziel von Frauen für Freiheit e. V., die Prävention sogenannter Ehrenmorde hinzuweisen, den Begriff zu erklären sowie auf unsere fortlaufenden Fachgespräche zum Thema Gewalt gegen Frauen aufmerksam zu machen.
Warum sind Ehrenmorde keine Beziehungstaten?
Sogenannte Ehrenmorde werden in Deutschland nicht statistisch erfasst, sondern meist als Beziehungstaten eingeordnet, daher können weder Innenministerium noch Polizei Auskunft über die Zahl der im Namen der Ehre ermordeten Frauen (und Männer) in Deutschland geben. Um jedoch weitere Morde zu verhindern, muss das Phänomen erkannt und erfasst werden.
Sogenannte Ehrenmorde werden im Unterschied zu Beziehungstaten begangen, da sich das Opfer den sozialen Regeln der Gruppe widersetzt: Z. B. den Partner selbst wählt, zu freizügige Kleidung trägt, also die Regeln der Gemeinschaft bricht.
Der Mord dient nicht nur der Wiederherstellung der Ehre, sondern auch der Abschreckung anderer potentiell Abtrünniger. Sogenannte Ehrenmorde sind geplant, werden meist von mehreren begangen, oft durch die Familie des Opfers, nicht durch den Ehemann. Beziehungstaten hingegen sind Taten, bei denen meist ein Mann eine Frau umbringt, da er seine Gefühle verletzt sieht, nicht aber um sein gesellschaftliches Ansehen wiederherzustellen, denn das ist nach der Tat für immer verloren. Im Unterschied zu sogenannten Ehrenmorden erhält der Täter bei einer Beziehungstat keinerlei Rückhalt aus seinem sozialen Umfeld, die Tat wird geächtet. Das mag der Grund sein, warum sich Täter einer Beziehungstaten oft selbst töten. Beziehungstaten haben also eine private Motivation, sogenannte Ehrenmorde sind politisch, religiös oder kulturell motiviert.
Unterscheidung auch bei sogenannten Ehrenmorden notwendig
Sogenannte Ehrenmorde können in kulturelle Morde und islamisch-motivierte Frauenmorde unterschieden werden. Das Konzept der Ehre gibt es auch beispielsweise bei Jesiden und Hindus, gleichwohl sind sogenannte Ehrenmorde hier seltener als in islamischen Gemeinschaften. Bei einem islamisch-motivierten Frauenmord wird die Frau umgebracht, weil sie islamisch-fundamentalistische Regeln verletzt hat: Das Kopftuch abgelegt, Umgang mit ihr nicht-verwandten Männern gepflegt, eine Beziehung mit einem Andersgläubigen eingegangen. Die Motivation für den Mord ist politisch, denn die vermeintlichen islamischen Regeln werden über das Gesetz gestellt, im Sinne der Täter haben sich alle Frauen den fundamentalen Vorstellungen des Islam zu beugen und sind nicht berechtigt, ihre in Deutschland geltenden Rechte in Anspruch zu nehmen. Das ist gleichbedeutend mit Terror gegenüber Frauen, denn das Ziel von Terror ist die Abschaffung beziehungsweise Unterminierung des Grundgesetzes, in diesem Fall speziell der im Grundgesetz verankerten Gleichberechtigung.
Kulturelle Ehrenmorde wiederum gibt es z. B. bei Jesiden, die Heiraten außerhalb der Gemeinschaft nicht akzeptieren. Auch diese Morde müssen anders als Beziehungstaten betrachtet und verfolgt werden, da auch hier die Familien der Frauen gemeinschaftlich einen Mord planen und ausführen. Im Unterschied zu den politisch-motivierten Morden werden die Regeln der Gemeinschaft "nur" auf die Frauen der eigenen Gemeinschaft angewandt, sie werden nicht auf die gesamte Gesellschaft übertragen.
Warum ist das wichtig?
Nur wenn unterschieden wird, die Ursachen sogenannter Ehrenmorde erkannt und benannt werden, kann Prävention betrieben werden. Wer die Unterschiede negiert, bringt weitere Frauen, und auch homosexuelle Männer, in Gefahr. Auf diesem Gebiet wird kaum Forschung betrieben, daher fehlen auch Schulungen für Lehrer, Erzieher und Polizei. So müssten z. B. Sozialarbeiter lernen, dass die Eltern von Teenagern, die vor einem befürchteten Ehrenmord fliehen, nicht über den Aufenthaltsort des Kindes informiert werden dürfen, um das Kind nicht zu gefährden.
Prävention von Gewalt gegen Frauen
In unserer Fachreihe zu kulturellen, religiösen und politischen Ursachen der Gewalt gegen Frauen analysieren wir die Faktoren, die zu Gewalt führen können, um Prävention möglich zu machen. Die nächste Veranstaltung dieser Reihe findet statt am Donnerstag dieser Woche, dem 28. November 2019. Die Publizistin Sineb El Masrar wird mit Rebecca Schönenbach, Vorsitzende von Frauen für Freiheit e. V., über Rollenbilder im Wandel und Emanzipation im Islam sprechen. Dazu gehört auch die Frage nach der Sinnhaftigkeit des jetzt wieder diskutierten Kopftuchverbotes für Minderjährige.
Wie sieht es mit der Emanzipation im Islam aus? Wie verändern sich Rollenbilder? Schlagwörter-Feminismus und Muslimschwestern - modernes Phänomen? Zementiert die Mehrheitsgesellschaft das Opferbild "muslimische Frau"? Frauen als Täterinnen - wir groß ist der Einfluss der Frauen? Welche Faktoren tragen zur Veränderung bei, welche blockieren diese? Wird eher die Individualisierung oder die Sehnsucht nach dem Kollektiv größer?
Die Publizistin Sineb El Masrar, geb. 1981, als Tochter marokkanischer Einwanderer in Hannover. Sie gründete 2006 das multikulturelle Frauenmagazins »Gazelle«. Als Teilnehmerin der Arbeitsgruppe »Medien und Integration« saß sie 2006 im Kanzleramt und war von 2010 bis 2013 Mitglied der Deutschen Islam-Konferenz. Bücher: »Muslim Girls« - »Emanzipation im Islam« - »Muslim Men «. Sie lebt als freie Autorin in Berlin.
Wir freuen uns darauf, die obigen und andere Fragen mit Sineb el Masrar am Do, den 28. November, um 19 Uhr bei Meeet, Chausseestr. 86, 10115 Berlin zu diskutieren. Im Anschluss laden wir Sie zu einem Glas Wein ein. Sie können vor Ort die Bücher El Masrars erwerben und signieren lassen.
Einlass nur nach Anmeldung unter info at frauenfuerfreiheit.de, die Anmeldung stellt kein Recht auf Teilnahme dar. Einlass ab 18:30 Uhr.