Kein Kopftuch bei Kindern

Freitag 07. September 18 20:27

Für die katholische Wochenzeitung "Die Tagespost" hat Michael Leh über die Pressekonferenz von Terres des Femmes zur Forderung nach einem Verbot von Kinderkopftüchern berichtet. Mit freundlicher Erlaubnis des Autors veröffentlichen wir hier seinen ungekürzten Beitrag.

Die Frauenrechtsorganisation „Terres des Femmes“ (TdF) fordert ein gesetzliches Verbot des „Kinderkopftuchs“. Auf einer Pressekonferenz mit Expertinnen in Berlin erklärte TdF-Vorstandsmitglied Necla Kelek: „Wir brauchen dringend ein solches Gesetz, ohne Gesetz kommen wir nicht weiter.“ Es gebe eine starke islamistische Bewegung, die Kopftücher auch für Kinder propagiere. Daher reiche es nicht, auf Freiwilligkeit beim Verzicht auf Kinderkopftücher zu setzen, erklärte die türkischstämmige Soziologin und Publizistin. Fundamentalisten würden die Religionsfreiheit ausnutzen, um ihre Ziele durchzusetzen. „Wir haben festgestellt, dass unsere politischen Parteien nicht aufmerksam genug sind, was hier stattfindet“, sagte Kelek.

Dr. Necla Kelek und PD Dr. Elham Manea

 

In einem Grundsatzpapier von TdF heißt es: „Fundamentalisten wollen, dass Frauen später gar nicht mehr wissen, wie sich ein Leben ohne Kopftuch anfühlt, sondern dass sich bei unverhülltem Haar in der Öffentlichkeit ein Gefühl von Scham, Nacktheit und Unvollständigkeit einstellt.“ TdF-Bundesgeschäftsführerin Christa Stolle erklärte: „Unter dem Hashtag ,Nicht ohne mein Kopftuch´ werden im Internet Videos veröffentlicht, die bereits Babies mit Hijabs zeigen. Hier geht es nicht mehr um die Ausübung des eigenen Glaubens, sondern um Missbrauch von Kindern für fundamentalistische Zwecke.“ Seit April 2018 gebe es auch eine Petition „Deine Stimme gegen das Kopftuchverbot“ mit bislang 140 000 Unterschriften.

TdF hat deshalb eine Petition für ein Verbot des Kinderkopftuches gestartet, die Ende des Jahres mit Unterschriften dem Bundesjustizministerium übergeben werden soll. In der Petition heißt es: „Die Verschleierung von Mädchen aller Altersstufen - ein zunehmenes Phänomen in vielen Schulen und sogar in Kindergärten - steht für eine Diskriminierung und Sexualisierung von Minderjährigen. Deshalb fordert Terres des Femmes ein gesetzliches Verbot des sogenannten Kinderkopftuchs im öffentlichen Raum, vor allem in Ausbildungsinstitutionen für alle minderjährigen Mädchen.“

Zu den Erstunterzeichnern der Petition gehören die Publizisten Serap Cileli und Kacem El Ghazzali, der Psychologe Ahmad Mansour, die frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Lale Akgün, die Direktorin des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam, Susanne Schröter, die katholische Schwester Lea Ackermann, die Journalistin Alice Schwarzer und der Oberbürgermeister Tübingens, Boris Palmer (Die Grünen). Wie Christa Stolle sagte, würden sich die „großen Kampagnenplattformen“ im Internet bisher nicht trauen, die TdF-Petition über ihre großen E-Mail-Verteiler zu verbreiten: „Viele haben Angst, als rassistisch und rechtspopulistisch abgestempelt zu werden“, so Stolle.

Auf Fragen der „Tagespost“ erklärte bei der Pressekonferenz die Rechtsanwältin Seyran Ates, man wolle mit der Petition auch Lehrer und Schulleiter sowie Politiker in den Bundesländern und Kommunen erreichen. „Die Schulen und Kommunen sind viel näher an den Problemen dran“, sagte Ates. Islamistische Kreise betrieben eine „Geschlechterapartheid“ schon bei Kindern. In Berlin-Wedding habe es den Fall gegeben, dass Eltern bereits ihr zweijähriges Mädchen mit Kopftuch in einen Kindergarten schicken wollten. Die Kindergartenleiterin habe dem widersprochen. „Eine Kindergartenleiterin, die couragiert Kinderkopftücher ablehnt, ist für uns sehr wichtig“, fügte Seyran Ates hinzu. Nötig sei aber eine gesetzliche Regelung.

Die mutige Anwältin, die in Berlin die liberale Ibn Rushd-Goethe-Moschee gegründet hat, deshalb Morddrohungen erhält und Polizeischutz braucht, war schon 1984 bei einem Attentat lebensgefährlich verletzt worden. Sie hat auch das Land Berlin bisher viermal erfolgreich vor Gericht in Fällen vertreten, in denen muslimische Lehrerinnen im Unterricht Kopftuch tragen wollten. Gegenüber der „Tagespost“ erklärte Seyran Ates, sie kenne Fälle, in denen kleinen Mädchen von den Eltern die Köpfe kahlgeschoren wurden, damit sie es nie wagten, ihre Kopftücher abzulegen. Schon in ihrem Buch „Wahlheimat“ trat Frau Ates dafür ein, wie in Frankreich das Kopftuchtragen in deutschen Schulen und öffentlichen Gebäuden zu verbieten.

Prof. Dr. Susanne Schröter und Seyran Ateş

Die Vizepräsidentin des Bundesverbandes der Kinder- und Jugendärzte, Sigrid Peter, erklärte auf der Pressekonferenz, bei Kopftuchträgerinnen hätten Untersuchungen eine deutliche Minderversorgung mit Vitamin D gezeigt. Verschleierte Mädchen trieben weniger Sport, seien viel weniger beweglich und fehlten meistens im Schwimmunterricht. „Ich erschrecke auch immer“, erklärte sie, „wenn ein Mädchen, das ich seit seiner Geburt kenne, mir plötzlich mit fünf, sechs Jahren in meiner Praxis verschleiert vorgestellt wird. Manchmal geht das so weit, dass sich solche Mädchen noch nicht einmal entkleiden, wenn sie untersucht werden sollen“.

Der Alevit Ali Ertan Toprak (CDU), Präsident der Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände in Deutschland e.V., dankte auf der Pressekonferenz den „mutigen Frauen“ von TdF. „Ich bin heute hier für meine Tochter“, erklärte er, „sie ist dreieinhalb Jahre alt. Ich mache mir Gedanken über ihre Zukunft und möchte, dass sie in diesem Land frei aufwächst.“

Dr. Necla Kelek, PD Dr. Elham Manea und Ali Ertan Toprak

 

Alle Fotos: Michael Leh

Kein Kopftuch bei Kindern
Seyran Ateş auf der Pressekonferenz von Terre des Femmes, Foto: Michael Leh