Kategorien zur Erfassung von Gewalt gegen Frauen
Der 25. November ist der Internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen. Frauen für Freiheit e. V. arbeitet aber ganzjährig zu diesem Thema, zu dem bisher trotz der öffentlichen Aufmerksamkeit kaum spezifische Analysen und Ursachenforschung betrieben werden. Die Ursachenanalyse aber ist notwendig, damit Präventionsprogramme überhaupt wirksam gestaltet und potenzielle Opfer geschützt werden können.
Etwa ein Drittel bis knapp die Hälfte der erfassten Übergriffe auf Frauen finden im eigenen Umfeld statt. Unter häuslicher Gewalt werden bislang aber auch Taten im Namen der „Ehre“ subsummiert, die dieser Kategorie nicht entsprechen. Um die Taten richtig zuzuordnen, sollte erfasst werden, ob der Täter allein gehandelt hat, ein Partner oder Ex–Partner des Opfers ist oder ein Familienmitglied des Opfers, also Bruder, Vater, Mutter oder Cousin.
Partnerschaftsgewalt gründet in persönlichen Motiven des Täters, der nach der Tat meist von seinem Umfeld geächtet wird. „Ehr“gewalt hingegen hat religiöse, tradierte oder politische Motive. Täterin oder Täter werden durch ihr weiteres Umfeld unterstützt, die Tat wird von der Familie gutgeheißen oder gemeinsam begangen und dient der Abschreckung anderer potenziell abtrünniger Frauen der Gemeinschaft. Damit sind Taten im Namen der „Ehre“ per se nicht „häuslich“ oder „privat“. Um das Ausmaß zu erfassen und Gegenmaßnahmen zu ergreifen, sollte Gewalt im Namen der „Ehre“ daher gesondert erfasst werden.
Die obige Unterteilung zeigt bereits auf, warum auch die Kategorie „Femizid“, also Gewalt gegen Frauen auf Grund des Geschlechts, keine geeignete Zuordnung ist. Damit würde lediglich ein Oberbegriff für Gewalt gegen Frauen durch einen anderen ersetzt. Wer jede Gewalt gegen Frauen als Frauenhass „aus Machismo“, „strukturelle Gewalt“ oder „Femizid“ beschreibt, verhindert eine genauere Ursachenanalyse. Wie viele Formen Gewalt gegen Frauen annehmen kann, zeigt sich bereits im Teilspektrum der politischen Angriffe auf Frauen.
Das Phänomen der „Incels“, meist dem rechtsextremen Spektrum zugehörige Täter, zeigt, wie dringend dieser Form von in physischer Gewalt mündender Frauenverachtung entgegengesteuert werden muss. Zwar ähneln Incels dem älteren Phänomen des frauenverachtenden Islamismus, Islamisten aber rekrutieren anders und haben wiederum einen anderen Rückhalt in ihrem sozialen Umfeld als Incels. Beide Formen der politischen Gewalt gegen Frauen führten zu gezielten Anschlägen auf Frauen wie in Kabul, Manchester, Turku oder Santa Barbara. Damit es nicht zu weiteren Terroranschlägen auf Frauen kommt, ist auch in diesem Bereich dringender Handlungsbedarf geboten.
Ein weiteres Feld ist die digitale Öffentlichkeit, die auch bei der Rekrutierung von und Bestärken der Incels eine Rolle spielt, darüber hinaus aber immer mehr unseren Alltag bestimmt. Auch in der digitalen Sphäre werden Frauen auf Grund ihres Geschlechts sexuell belästigt, beleidigt und bedroht. Auch hier sollten Maßnahmen ergriffen werden.
Damit Prävention gegen frauenverachtende Gewalt wirksam gestaltet werden kann, schlagen Frauen für Freiheit e. V. eine differenzierte Erfassung nach folgenden Kategorien vor:
- Politische Gewalt (Incels, Islamisten)
- Religiöse und tradierte Gewalt (z. B. Ehrenmorde bei Jesiden, politische Morde wie der an Hatun Sürücü)
- Häusliche Gewalt (durch Partner oder Ex-Partner, ohne Beteiligung weiterer Familienmitglieder)
- Gewalt im öffentlichen Raum/Gruppengewalt gegen Frauen durch den Opfern unbekannte Täter (s. Silvester in Köln 2015; Gruppenvergewaltigungen wie in Freiburg 2018; Übergriffe wie Haare anzünden in U-Bahn; usw.)
- Digitale Gewalt