Für eine tolerante und offene Sonnenallee?

Freitag 05. Juni 20 15:36

Die Berliner Grünen möchten für eine tolerante und offene Sonnenallee in Berlin Neukölln eintreten, denn: "Besonders Frauen, Queere und Trans* Personen wurden beschimpft, getreten oder bespuckt."
Eine sehr gute Initiative, die Ankündigung zur Veranstaltung (hier zu finden) allerdings führt Mohamed Taha Sabri als Podiumsgast an, Imam der Dar-as-Salam Moschee, NBS e.V.
Sabri ist mehrfach durch Verbindungen zu Extremisten aufgefallen. Unter anderem durften Vertreter der Hamas und Muslim Brotherhood in seiner Moschee sprechen, beide Organisationen sind dafür bekannt, gegen Frauen, Queere und Tanspersonen und - merkwürdig, diese Gruppe haben die Grünen weggelassen - Juden zu hetzen.

Irene Kosok, Mitfrau bei Terre des Femmes Deutschland e. V., Innenarchitektin und Neuköllnerin seit 20 Jahren, hat einen offenen Brief an die Organisatorinnen der Diskussion geschrieben, in dem sie erklärt, warum diese Art von Initiative die Sonnenalle besonders für eine Gruppe noch gefährlicher macht, nämlich für Frauen, die, wie Frau Kosok schreibt, "optisch sofort als arabische Frau gelesen" werden.

Wir danken Frau Kosok für ihr Engagement und die Erlaubnis, ihren Brief wiedergeben zu dürfen:

 

Sehr geehrte Frau Kahlefeld, sehr geehrte Frau Kofbinger,

als ich von Ihrer Diskussionsrunde hörte, fragte ich meine arabische Freundin, ob sie bereit wäre an so einer Diskussion teilzunehmen. Da war mir noch gar nicht klar, daß eine direkte aktive Beteiligung gar nicht möglich ist. Ich denke Sie sollten sich dringend anhören, was sie zu sagen hat. Sie ist gern zu einem persönlichen Gespräch bereit, allerdings nicht über Social Media und ohne Imam. Das ist ihr zu gefährlich.

Als sie vor über 4 Jahren nach Deutschland kam und wir uns in den Tempelhofer Hangars kennenlernten, dachte ich, ich gebe ihr ein Stück Heimatgefühl zurück, wenn ich ihr die Sonnenallee zeige und bei Azzam und Aldimashqi mit ihr essen gehe. Zu meinem Erstaunen war sie, wie auch andere arabische und afghanische Frauen mit denen ich dort war angespannt, nervös und fahrig. Irgendwann hatten wir ein so gutes Vertrauensverhältnis, daß wir darüber sprechen konnten. Sie erzählte mir, daß sie häufig und überall in der Stadt von arabischen Männern abschätzig beglotzt, sexuell belästigt, zurechtgewiesen, zum Verhüllen aufgefordert wird, weil sie optisch sofort als arabische Frau gelesen wird. Aber insbesondere auf der Sonnenallee ist jeder Gang über die Straße ein Spießrutenlauf für sie. Nur ein Hijab würde sie dort schützen, aber nichts und niemand bringt sie dazu jemals wieder einen aufzusetzen. Sie bat mich darum andere Treffpunkte auszumachen.

Als ich das Thema mal im Rahmen einer Samuel Schirmbeck Lesung ansprach, kam im Anschluß eine sehr junge, gutaussehende, deutsche Frau auf mich zu und erzählte mir von ähnlichen Erfahrungen am gleichen Ort. Genauso schlimm wie die Belästigungen an sich (in ihrem Fall bis hin zur versuchten Vergewaltigung auf offener Straße) empfand sie allerdings, daß sie darüber nicht reden konnte. Weil sie die Tätergruppe auf arabisch muslimische Männer eingrenzte, weil das nun mal den Tatsachen entsprach, hatten sich bereits Freunde von ihr abgewendet, mit dem Argument, sie sei Rechts.

Ich finde es nicht hinnehmbar, daß Orte wie die Sonnenallee für viele Frauen keine sicheren Orte mehr sind. Das Beschweigen der muslimischen Misogynie, und Beschimpfen derer die sie anprangern, befördert diese Entwicklung.

Als ich letztes Jahr an einer Podiumsdiskussion mit Saboura Naqshband teilnahm und dort die Perspektive von geflüchteten Frauen einbringen wollte, hielt man mir vor, daß es mir als weißer priviligierter Frau nicht zusteht für diese marginalisierte Gruppe zu sprechen. Was aber, wenn die marginalisierte Gruppe so marginalisiert ist, daß sie gar nicht für sich selber sprechen kann, weil sie sonst Angst um Leib und Leben hat? Dann ist die Marginalisierung perfekt und alle können so tun, als wäre das Problem nicht existent.

Ich finde besonders Linke und Grüne sollten sich für Gleichberechtigung einsetzen, auch und gerade dort wo es wehtut. Wer sich für Binnen-Is und Gender* einsetzt, aber reale Gewalt relativiert, weil sie von Minderheiten ausgeht, die scheinbar unter Artenschutz stehen ist verlogen.

Wenn Sie an weiteren Einblicken in die arabische Community interessiert sind, empfehle ich Ihnen den Youtube Kanal, den ich zusammen mit o.g. Freundin gestartet habe.

https://www.youtube.com/channel/UCMxHsXQ7RYtovsyprM2RFDQ

Mit freundlichen Grüßen

Irene Kosok

Für eine tolerante und offene Sonnenallee?
Credits: Mike Herbst, Quelle:Flickr