Für die Freiheit von Mädchen – und daher für ein Kopftuchverbot für Minderjährige!
Antwort auf die Stellungnahme "Nein zu einem Kopftuchverbot für Minderjährige" des Netzwerks Rassismuskritische Migrationspädagogik
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Unterzeichnerinnen und Unterzeichner der Stellungnahme,
zunächst sind wir begeistert, dass Ihnen das Wohl von Mädchen aus islamischen Gemeinschaften am Herzen liegt, denn gerade diese Mädchen werden von der Mehrheitsgesellschaft meist vergessen. Daher begrüßen wir Ihre Aufforderung, sich kritisch mit der Thematik auseinanderzusetzen. Dann jedoch nehmen wir mit Erstaunen den Inhalt Ihrer Stellungnahme zur Kenntnis.
Sie schreiben, ein Verbot des Kinderkopftuches sei ein Eingriff in die Selbstbestimmung der Mädchen, führe zu weiteren Eingriffen in ihre Lebensbedingungen und Teilhabechancen, legitimiere die schon bestehende Diskriminierung kopftuchtragender Musliminnen, stelle einen Eingriff in die Religionsfreiheit dar und zudem stärke die „Debatte über den Islam (...) demokratiefeindliche Tendenzen in der Gesellschaft.“
Zunächst einmal stärkt jede Debatte die Demokratie, denn Demokratie lebt von Streit, und Religionskritik ist ein Merkmal jeder aufgeklärten Gesellschaft. Daher stärkt Ihr Versuch, diese Debatte zu unterbinden, die demokratiefeindlichen Tendenzen, die Debatte selbst hingegen stärkt die Demokratie.
Erstaunlich ist auch Ihre Einschätzung, das Verbot eines Kopftuches für religionsunmündige Kinder sei ein Eingriff in deren Selbstbestimmung und würde zu weiteren Eingriffen in ihre Lebensbedingungen und Teilhabechancen führen. Die Annahme, ein Grundschulkind würde sich freiwillig unsichtbar machen und sich für ein Korsett entscheiden, das es als geschlechtsreif kennzeichnet, ist doch eher gewagt. Das Kopftuch ist sexuelles Symbol, denn es bedeutet, dass die Trägerin Reize besitzt, die vor den Augen der Männer verhüllt werden müssen. Wird das Tuch von Kindern getragen, sexualisiert es die Kinder, die damit zu einem Objekt der Begierde degradiert werden. Würden Sie es zulassen, dass Kinder mit hochhackigen roten Pumps zum Unterricht geschickt werden? Und deren Tragen von Müttern, Brüdern, Vätern und Cousins überprüft wird? Neben der totalen Überwachung sind die Mädchen oft psychischer Gewalt durch emotionale Erpressung ausgesetzt, die die Unterordnung des Individuums in das Kollektiv sicherstellen soll.
Damit ist auch geklärt, ob ein Verbot ein unbotmäßiger Eingriff in die Religionsfreiheit wäre. Nein, zumal es sich vorwiegend um religionsunmündige Kinder handelt - Kinder zwischen vier und 14 Jahren, zu deren Schutz der Staat durch seine Obhutspflicht über die Bürgerinnen und Bürger verpflichtet ist. Ein Verbot würde diese Kinder nicht nur vor Sexualisierung schützen, sondern auch die von Ihnen geforderte Teilhabe ermöglichen, die den Kindern gleichberechtigt und ungeteilt zusteht.
Denn das Kopftuch behindert einerseits direkt die Bewegungsfreiheit der Trägerin und andererseits durch seine Symbolik die gleichberechtigte Teilnahme der Mädchen am gesellschaftlichen Leben. Durch das Kopftuch werden die Mädchen in „ehrenhaft“ und „unehrenhaft“ eingeteilt - einem „ehrenhaften“ Mädchen wird oft der gemischte Sportunterricht, Klassenausflüge und und andere Teilhabemöglichkeiten verwehrt. Ein Verbot würde nicht nur die Teilnahme der Mädchen sicherstellen, sondern auch Jungen aus islamischen Gemeinschaften würden die Bedeutung der Gleichberechtigung der Geschlechter früh als zentral kennen- und verstehen lernen.
Ebenso wichtig ist, auf die Diskriminierung der Mädchen aufmerksam zu machen. Diese droht den Kindern allerdings nicht nur durch die Mehrheitsgesellschaft, sondern vor allem und unmittelbar durch eine Umgebung, die schon Grundschulkinder in züchtig und unzüchtig unterteilt. Wie soll sich ein Kind frei entfalten, dem sein Körper als Schande, die es zu verbergen gilt, beigebracht wird? Wie massiv wird ein Mädchen diskriminiert, dessen Mütter, Brüder, Väter und Cousins kontrollieren, was es trägt, mit wem es spricht, wie es sich verhält und die es als Schlampe brandmarken, wenn es sich nicht den patriarchalen Vorstellungen beugt? Die Diskriminierung von nicht-kopftuchtragenden Mädchen auf deutschen Schulhöfen ist inzwischen so massiv erkennbar, dass ein Eingreifen notwendig geworden ist.
Sie schreiben, Sie möchten Kinder empowern. Dieses Empowerment findet dann aber nur in den von der Umgebung gesetzten Grenzen statt. Womit wir beim letzten Punkt wären, dem der Menschenrechte.
In Ihrer Stellungnahme schreiben Sie „...die Thematisierung der langen Tradition des Wunsches „die andere Frau zu entschleiern“, [ sei ] eine koloniale Tradition, in der es darum gehe, der als anders wahrgenommen Frau vorzuschreiben, was Emanzipation ist und wie diese für sie auszusehen hat, ...“
Nach unserem Verständnis sind Menschenrechte universal, sie stehen jedem Menschen unabhängig von Herkunft, Religion oder Kultur zu. Diese Sicht teilen die Frauen in der islamischen Welt, die sich aktuell in Algerien, Saudi-Arabien und dem Iran unter Einsatz ihrer Freiheit und ihres Lebens gegen den Zwang wehren, sich verschleiern zu müssen. Weiterhin negieren Sie mit diesem Satz die emanzipatorische Bewegung der islamischen Welt sowie Intellektuelle wie Fatima Mernissi (Marokko), Wassyla Tamzali (Algerien), Fawzia Zouari (Tunesien), Nawel Saadawi, Mona Eltahawy (Ägypten), Ensaf Haidar (Saudi-Arabien), Nesrin Sotoudeh (Iran) oder auch Feministinnen aus muslimischen Gemeinschaften in Deutschland wie Necla Kelek, Seyran Ates, Sineb el-Masrar, Güner Balci und Zana Ramadani. Indem Sie Frauen- und damit Menschenrechte als kolonialistisches Konzept bezeichnen, sprechen Sie diesen Frauen die Menschenrechte ab, denn Ihrer Vorstellung nach dürfen sie sich eben nur in engen kulturellen Grenzen empowern.
Wir fordern daher zum Schutz der Mädchen ein Verbot des Kinderkopftuches und unterstützen die Petition "Den Kopf frei haben" von Terre des Femmes e. V.
Denn Frauenrechte sind Menschenrechte. Wer Mädchen aus islamischen Gemeinschaften diese Rechte abspricht, ist nichts anderes als Rassist.
Erstunterzeichnerinnen und -unterzeichner
Rebecca Schönenbach, Vorsitzende von Frauen für Freiheit e. V.
Naïla Chikhi, Kulturwissenschaftlerin, unabhängige Referentin für Frauenpolitik und Integration
Paul Nellen
Halina Bendkowski
Dr. Inge Lues
Birgit Ebel, Lehrerin und Gründerin der Präventionsinitiative "extremdagegen!"
Eva Quistorp,Theologin, Paedagogin, Frauen fuer Frieden
Lydia Stryk
Mina Ahadi, Vorsitzende des Zentralrats der Ex-Muslime Deutschland
Samuel Schirmbeck, Ex-ARD-Algier, Autor und Filmemacher
Heidemarie Grobe, Diplom-Soziologin, Koordinatorin der TDF-Städtegruppe Hamburg
Doro Meuren, Bündnis 90/Die Grünen
Sabine Growe
Helke Sander
Elisa Rodé
Carola Blume-Kullmann, Lehrerin i.R., Grüne Baden-Württemberg
Rahima Valena, Mitglied Bündnis 90/Die Grünen
Dr. Elio Adler, Vorsitzender der WerteInitiative jüdisch-deutsche Positionen e.V.
Antje Langethal
Dr. Gheorge Stanomir
Zana Ramadani
Lea Rosh, Publizistin
Oliver Vrankovic, Journalist
Dr. Elvira Grözinger
Carola Gabriela Dengel, Mitfrau bei TdF e.V., AG Frauenrechte und Religion, Säkularistin
Angela S. Reinhard
Ingrid Lee
Albrecht Lohrbächer
Marion Olthoff, Referentin in ATZ, AK GRÜNE Frauenpolitik Hildesheim
Initiatie Ehrlos statt Wehrlos
Karin von Kamptz
Marie Wildermann, Journalistin, ARD Hörfunk
Matheus Hagedorny, Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Leipzig
Dr. Agnes Imhof, Islamwissenschaftlerin
Ali Ertan Toprak, Präsident der Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände in Deutschland (BAGIV), Sprecher der Initiative Säkularer Islam
Birgit Kreipe, Dipl.-Psychologin
Peter Schwanewilms
Michael Körner, KV Ettlingen Bündnis 90/Die Grünen