Afghanische Mädchen und Frauen dürfen nicht den Preis der Feigheit unserer Regierungen zahlen

Sonntag 05. Dezember 21 22:14

Am 24. November 2021 fand in Brüssel die Pressekonferenz des Netzwerks der mit den Frauen in Afghanistan solidarischen Organisationen statt. Als deutsche Vertreterinnen des Netzwerks geben Migrantinnen für Säkularität und Selbstbestimmung und Frauen für Freiheit e. V. einen Überblick über die Kernpunkte der Pressekonferenz:

Deutschland hat bereits Verhandlungen mit den Taliban aufgenommen. Auch wenn die Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer betont, dass Verhandlungen keine Anerkennung der Taliban bedeuten, werden die Taliban durch die offiziellen Treffen legitimiert. Wir bedauern dies und verurteilen die Verhandlungen auf das Schärfste. Obwohl behauptet wird, dass weitere Gespräche lediglich der Sicherung der humanitären Hilfe dienen sollen und Hilfe an die Einhaltung der Grundrechte der Frauen und das Recht auf Bildung von Mädchen gebunden sind, steht auch in der deutschen Presse eine mögliche zukünftige Kooperation oder Zusammenarbeit zwischen Deutschland und dem frauenfeindlichen und antidemokratischen Regime der Taliban im Raum.

Wir, Frauen für Freiheit e.V. und Migrantinnen für Säkularität und Selbstbestimmung sowie unsere internationalen Partnerorganisationen des Netzwerks, lehnen in Kooperation mit afghanischen Frauenrechtlerinnen eine solche Zusammenarbeit kategorisch ab.

Zwar muss humanitäre Hilfe geleistet werden – aber ausschließlich von anerkannten internationalen Organisationen und ohne Umweg über die Taliban.

Die europäischen Regierungen dürfen diese Forderung afghanischer Frauen und ihrer europäischen feministischen Mitstreiterinnen nicht ignorieren.

Die bisherige Politik der EU und ihrer Mitgliedstaaten hinsichtlich Frauenrechten und Islamismus hat stets zu verheerenden Misserfolgen innerhalb und außerhalb der EU geführt. Unsere Regierungen müssen endlich begreifen, dass jede Entscheidung, die hier in Europa in Bezug auf diese beiden Themen getroffen wird, drastische Folgen für die Lebenslage von Frauen in den Ländern hat, aus denen viele Migrantinnen und weibliche Geflüchtete kommen, sowie auf Frauen aus den sogenannten islamischen Gemeinschaften in Europa.

Sich in Europa für die Gleichberechtigung der Geschlechter einzusetzen und gleichzeitig implizit, um nicht zu sagen aus Feigheit, die Verletzung der Rechte von Mädchen und Frauen in bestimmten Ländern zu tolerieren, delegitimiert das Vorgehen gegen islamische Extremisten im Inneren.

Genauso angreifbar wird jede Kritik an der Geschlechterapartheid in Afghanistan, wenn Gleichberechtigung nicht hier innerhalb der sogenannten islamischen Gemeinschaften durchgesetzt wird. Wer hier das Kopftuch oder sogar die Vollverschleierung mit Freiheit gleichsetzt, kann die durch die Burka durchgesetzte Negation der Frauen in Afghanistan nicht glaubwürdig anprangern. Folgerichtig werden die Taliban, wie auch das iranische Regime während der letzten 40 Jahre, diese Kritik als hinfällig bewerten und sich nicht an entsprechende Abkommen halten.

Mit den Taliban zu verhandeln, kommt der Billigung des Frauenhasses dieser Henker gleich. Mit den Taliban zu verhandeln, macht mitschuldig an den Verbrechen gegen afghanische Mädchen und Frauen.

Ob in Europa oder anderswo auf der Welt, die Menschenrechte der Frau sind universell, unverhandelbar und unteilbar. Durch die Ratifizierung internationaler Konventionen hat Deutschland dieses Prinzip anerkannt. Dagegen zu verstoßen, verdammt muslimisch geprägte deutsche Bürgerinnen sowie afghanische Bürgerinnen in einem fundamentalistischen Patriarchat der übelsten Art zu verharren.

Denn islamischer Extremismus ist in einer globalen Welt vernetzt. Wer die Entrechtung von Frauen in Afghanistan toleriert, signalisiert islamischen Extremisten in Europa Narrenfreiheit. Universale Werte können im Inneren nur erhalten bleiben, wenn sie im Außen verteidigt werden.

In den letzten Jahren mussten wir leider feststellen, dass sich Deutschland sowie andere EU-Länder in der Bekämpfung von Islamismus in all seinen Varianten kaum engagiert haben. Deshalb sagen wir jetzt STOP!

Die Unantastbarkeit der Würde der Frau und die Sicherung ihrer Rechte müssen an erste Stelle gerückt werden. Wir fordern die Bundesregierung auf, humanistische Werte und universelle Menschenrechte ohne Wenn und Aber zu verteidigen und Frauenrechte zum gemeinsamen Anliegen aller EU-Länder zu machen.

In den vergangenen Jahren haben in Afghanistan Frauen als Polizistinnen, Anwältinnen und Richterinnen für die Festnahme und Verurteilung der Taliban gesorgt. Diese Frauen haben sich beruflich und persönlich für ihr Land engagiert, um die Werte und die Achtung des Lebens, insbesondere des Lebens der Frau, zu verteidigen.

Mit der Rückkehr der Taliban an die Macht sind diese Frauen heute in Lebensgefahr. Viele von ihnen mussten untertauchen. Aber nicht Wenige leisten zusammen mit anderen Frauen weiter Widerstand, sie demonstrieren auf den Straßen Kabuls mit erhobenem und unbedecktem Haupt. Sie erheben ihre Stimmen und fordern ihr Recht auf ein freies und selbstbestimmtes Leben ein. Diese afghanischen Frauen sind heute das Gesicht des Widerstands gegen die islamistische Barbarei. Es ist unsere oberste Pflicht, sie zu unterstützen.

Wir dürfen nicht nur Beobachterinnen bleiben. Neutralität würde eine Mitschuld an der Verfolgung bedeuten, der diese Frauen und Mädchen ausgesetzt sind. Sie müssen gerettet werden, und sobald sie der Hölle der Taliban entkommen sind, sind sie es, die in Europa an den Entscheidungstischen über Afghanistan sitzen sollten. Wir müssen die afghanischen Frauen in den Vordergrund stellen. Einerseits wird dies den Taliban zeigen, dass Europa Frauen, ihre Fähigkeiten und ihre Würde achtet, und andererseits wird hierdurch die Leistung dieser mutigen Frauen im Prozess der Entwicklung Afghanistans anerkannt.

Außerdem ist es äußerst wichtig, in der EU angekommene afghanische Frauen durch spezifische Hilfsmaßnahmen zu unterstützen, um ihre Integration durch ihrer Situation angemessene Programme zu fördern. Zudem müssen diese Frauen auch hier gegen islamistischen Druck abgesichert werden.

Ob in Afghanistan, in der EU oder anderswo auf der Welt, Mädchen und Frauen müssen vor dem durch Islamisten mit mörderischer Frauenfeindlichkeit durchgesetzten Patriarchat geschützt werden. Unsere Pflicht ist es, sie beim Wiederaufbau eines freien Lebens in Würde und Frieden zu begleiten.

Das ist Frauensolidarität, das ist Demokratie, das ist Humanismus und das ist das Mittel, um jeglichen Extremismus zu bekämpfen.

Afghanische Mädchen und Frauen dürfen nicht den Preis der Feigheit unserer Regierungen zahlen