Eine Stimme für Freiheit - Bericht einer Erziehungswissenschaftlerin

Montag 30. Januar 17 20:49

Eines unserer Ziele ist es, Frauen eine Stimme zu geben. Daher dokumentieren wir mit Einverständnis der Verfasserin eine Zuschrift, die exemplarisch für viele Schreiben ist, die uns erreichen.

Die Schreiberin hat selbst einen Migrationshintergrund, ihre Eltern stammen aus einem islamischen Land. Der Text wurde nicht verändert, lediglich einige Orthographiefehler korrigiert. Einschübe sind kursiv gesetzt. Der volle Name der Verfasserin ist uns bekannt.

 

Liebe Mitglieder von Frauen für Freiheit,

ich fühle mich zur Zeit richtig ohnmächtig. Viele Ereignisse beschäftigen mich und ich weiß nicht so recht, was ich tun kann.

Leider habe ich es nicht zu eurer ersten Veranstaltung nicht geschafft. Dennoch hoffe ich im April auf eure Veranstaltung zu kommen. Vor kurzem habe ich mir die online gestellten Vorträge angesehen und kann vieles Gesagte bestätigen. Besonders der akademische Diskurs an den Unis scheint mir vergiftet. Ich bin frischgebackene Erziehungswissenschaftlerin und möchte hier vor allem von meinen akademischen Erfahrungen berichten. Damit auch der Bezug zur Thematik klar wird, die eben nicht nur auf persönlicher „Zuwanderungsgeschichte“ beruht.

Ähnlich wie die ehemalige Familienministerin Kristina Schröder kann ich bestätigen, dass die universitäre Alltag stark ideologisch durchzogen ist. So könnte man an dieser Stelle darauf hinweisen, dass dies „typisch“ für bestimmte Disziplinen wie Erziehungswissenschaften und auch der Soziologie ist. Dass es bestimmte Reizbegriffe in der Soziologie gibt, die man besser nicht verwendet, ist ohnehin bekannt und das hatte auch mal Sinn, nämlich Reflektion. Als Beispiel kann der Rassebegriff angeführt werden, der zurecht als Rassenkonstruktion bezeichnet wird. Mittlerweile sind wir jedoch soweit, dass es nur noch darum geht „wie“ etwas gesagt wird. Es geht gar nicht mehr darum „was“ gesagt wird. Ich habe das Gefühl, dass die Definition des Begriffs Rassismus vielmehr immer ungenauer wird.

Es gibt einen permanenten Generalverdacht und eine bestimmte Empörungskultur an den Unis. Macht man beispielweise nicht deutlich (genug), dass man den Begriff „Rasse“ im historischen Kontext zitiert, kann das böse enden. Manche Dozenten werden ausfallend und die gute Note ist dahin. Allen Beteuerung des Studierenden zum Trotz. Nur weil die dozierende Person beim Anmerkungen notieren nicht sah, dass der Student mit den Händen Anführungszeichen formte. Auch andere Aspekte zu betonen, die der Dozent vielleicht nicht so sieht, ist problematisch. Oder schlimmer: Der Dozent fängt an offen zu leugnen (trotz wissenschaftlicher Quellen) und dann wird’s unschön (z.B. wird der arabischer Kolonialismus geleugnet). Bei bestimmten Begriffen oder anderen Meinungen scheint reflexartig das Gehirn auszusetzen.

Ich war mehrere Semester an der Uni als studentische Mitarbeiterin der Soziologie tätig und habe manchmal versucht als Tutorin im Geheimen deeskalierend zu wirken. Nicht nur der Generalverdacht ist problematisch (und das bereits im ersten Semester!!). Sondern, dass man immer nur bestimmte Argumentationsformen und Denkweisen nutzt und akzeptiert:

• Linke Rassismusdichotomie: Weiße werden als einzige Rassisten dargestellt. Primär sind damit eigentlich nur Europäer gemeint.

• Andere Bevölkerungsgruppen wird Rassismus abgesprochen. D.h., sie sind per se Opfer, nicht Täter.

• Muslime werden als „Rasse“ behandelt. Deswegen wird Islamkritik als rassistisch wahrgenommen.

• Liberalität wird mit Beliebigkeit gleichgesetzt.

• Gefühle werden über Fakten gestellt.

Und so weiter. Vielleicht ist es am besten so zu verstehen, dass man gar nicht mehr lernt zu debattieren und die Perspektiven zu wechseln. Man hat schließlich die Weisheit gepachtet als sogenannter Bildungsbürger. Man lernt eher Meinungen von anderen Intellektuellen wieder zu geben bzw. zu übernehmen. Eine tatsächliche kritische Auseinandersetzungen und Theoriebildung sucht man vergeblich. Dabei sind die Argumentationsstränge immer dieselben, wenn ich also einen Text von Herrn Mazyek lese, der so links-liberal tut und schreibt, da weiß ich direkt, wie er nach den ersten drei Sätzen argumentieren wird. Obwohl er natürlich fragwürdige Organisationen vertritt. Da werden die Argumentationsstränge genutzt, die man als links-liberaler Bildungsbürger in der Soziologie erlernt hat. Dass sich die durchakademisierte SPD täuschen lässt, ist klar! Immer schön relativieren

Ähnlich [verfährt] eine Erziehungswissenschaftlerin, die in einem Buch Islamophobie erläutert. Am Beispiel von Necla Kelek. [Islamfeindlichkeit: Anatomie eines Feindbildes in Deutschland (Kultur und soziale Praxis) von Naime Cakir] Frau Kelek wird natürlich als „sozialer Platzanweiser“ (wieder so ein Begriff) bezeichnet. Sie können gerne mal rumfragen, warum die meisten Pädagogen und Soziologen z.B. Necla Keleks Thesen ablehnen. Ich sage ihnen, sie werden Folgendes antworten: Weil sie soziale Probleme kulturalisiert und somit rassistisch ist. Ja, noch so eine Formulierung, die ich liebe: Kultureller Rassismus. Somit wird jede Kritik an Religion oder Mentalität als Rassismus ausgelegt. Jede Ungleichbehandlung, egal von wem, ist negativ.

Man könnte nun sagen, das seien Einzelfälle. Das ist richtig. Nicht jeder Dozent ist differenziert. Leider häuften sich diese akademischen Erfahrungen. Sie haben mich besonders betroffen gemacht und mir die Lust auf mein jetziges Masterstudium versaut. Eigentlich wollte ich in die Forschung, kann aber mittlerweile dieses Meinungskorsett nicht mehr ertragen. Besonders signifikant war für mich die Erfahrung bei einem Referat. Ich hatte einem Freund bei diesem Referat unterstützt. Es ging um „das Kopftuchurteil“. Der Vortrag war sehr differenziert aufgebaut. Leider kam die Referatsgruppe nicht besonders weit, da überhaupt nicht reflektiert wurde, wer die Klage unterstützt (Mili Görus). Liberalität scheint zur Beliebigkeit verkommen und individuelle Freiheit wird über die Neutralität des Staates gestellt. Das Totschlagargument: Es ist nicht immer alles so einfach! In einem politikwissenschaftlichen Seminar: Fatal! Der republikanische Gedanke wird gar nicht geachtet. Dabei geht der Sinn des Neutralitätsgebots verloren. Es ist gar nicht möglich, sich auf andere Gedankengänge einzulassen. Lieber hat man darüber gestritten, dass es diskriminierend sei, dass in der Präambel des Grundgesetztes das Wort „Gott“ verankert ist. Denn damit sei ja der christliche Gott gemeint und deswegen sei die deutsche Verfassung nicht neutral genug! Deswegen wäre es [das Grundgesetz] ausschließend gegenüber dieser armen kopftuchtragenden Frau, die als Lehrerin arbeiten wolle. Auf mein Argument, dass die Dame das vorher gewusst haben müsste und weshalb sie trotzdem klage (und ob sie den Sinn der Neutralität genug würdige), wurde nicht eingegangen. Immer wieder verwies ich auf das Problem, die Diskussion wurde leider sehr emotional und gar nicht bürgerlich-nüchtern geführt.

Ich war überzeugt, wenn ich sachlich argumentiere, wird man mich verstehen. Deswegen saß der Schock tief, als man mich durch die Blume gesprochen am rechten Rand des Parteienspektrums verortete. Ihr wisst bestimmt, dass die CDU eh schon an der Uni dämonisiert wird ohne Ende. Da kommt so ein Spruch wie: „Ich kann Sie natürlich nicht daran hindern, die AFD zu wählen“ schon der Aussage gleich, man wäre rechtsradikal. Eine Dozentin (SPD), die für unsere pädagogischen Praktika zuständig ist, erzählte mir im Vertrauen, dass sie von ihrer Chefin abgestraft wurde, da sie einer Dame mit Kopftuch nahe legte, vielleicht nicht ihr Praktikum in einer Moschee zu absolvieren, wegen des Frauenbilds. Ihr wurde Rassismus vorgeworfen! Dabei sagte sie mir, dass sie auch Studentinnen bei sich im Büro hatte, die zwangsverheiratet werden sollten. Sie hat mich völlig aufgelöst gefragt, was denn in den letzten 20 Jahren passiere. Auch sie hätte viele türkischstämmige Freunde. Auch interreligiöse Hochzeiten seien damals nicht so problematisch wie heute. Dieser neu aufkommende Traditionalismus sei ihr unheimlich.

Viele Grüße und weiterhin viel Erfolg. Ich hoffe, es wurde klar, wo mich der Schuh drückt. ?

Eine Stimme für Freiheit - Bericht einer Erziehungswissenschaftlerin
Foto: Aaron Burden